... Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon. - Aurelius Augustinus -

Dienstag, 1. März 2011

"Rajasthan Good-Bye" - Ein Rueckblick

Kaum zu glauben, aber ich bin schon seit 5 Wochen hier in Indien!!! Was heisst, dass der erste Teil meiner Indienreise, naemlich die Freiwilligenarbeit in Lalsot, endet und wir das Kapitel "Indien Teil 2: Freiwilligenarbeit in Goa" aufschlagen. Ich war selbst ein wenig ueberrascht, dass dieser Ortswechsel jetzt schon ansteht, kommt es mir doch so vor, als waere ich erst gestern hier gelandet, obwohl es sich auf der anderen Seite so anfuehlt als haette ich Deutschland bereits vor Lichtjahren verlassen - sehr ulkig ...

Ich habe grad so gemerkt, dass die bisherigen Schilderungen vom ersten Teil meines Indienerlebnisses alle so'n bissle unstrukturiert sind (was sicher der schlechten Internetsituation geschuldet ist), so dass ich nun an dieser Stelle mal versuchen will, meine bisherigen Erfahrungen hier fuer Euch so'n bissle zu sortieren.

Ueber IDEX und die Freiwilligenarbeit
Wie ich schon angedeutet habe, heisst die Organisation fuer die ich momentan hier "arbeite" Idex, was ausgeschrieben Indian Evelopment Exchange, zu deutsch Indischer Entwicklungsaustausch, heisst. IDEX, als GmbH gefuehrt, hat seinen Hauptsitz in Jaipur und unterhaelt verschiedene Projektstandorte - ein Camp in Himachal Pradesh (ist im Himalaya), das Camp in Lalsot im noerdlichen Bundesstaat Rajasthan, ein Camp in Jaipur, der Hauptstadt Rajasthans, und das Camp in Margao im Bundesstaat Goa. Ein weiteres Camp in der Naehe der pakistanischen Grenze ist derzeit geschlossen - nach dem Hochwasser in Pakistan, das auch diesen Teil Indiens betroffen hat, muss das Camp erst wieder in Stand gesetzt werden. Seine Freiwilligen "bezieht" IDEX ueber sogenannte "Sending Organisations" aus den verschiedenen europaeischen Laendern. Alle Freiwilligen zahlen eine nicht unerhebliche Summe Geld (ich weiss leider nicht, wie diese Summe unter der Sending Organisation und IDEX aufgeteilt wird) und bekommen dafuer hier Unterkunft und Verpflegung, die Sicherheit, dass bei allen fuer die Freiwilligenarbeit notwendigerweise zurueckzulegenden Fahrtstrecken ein IDEX-Mitarbeiter als Begleitung dabei ist und natuerlich die einmalige Chance, in Indien Entwicklungsarbeit leisten zu duerfen. Ueber meine bisherige Arbeit in Lalsot habe ich ja schon recht ausfuehrlich berichtet. Nachdem ich nun knapp 4 Wochen Erfahrungen als "Lehrerin" in einer staatlichen Schule sammeln konnte und die Arbeit sehr genossen habe und unter keinen Umstaenden missen moechte, muss ich dennoch sagen, dass ich nicht wirklich davon ueberzeugt bin, dass die Arbeit, die wir hier leisten, auf lange Sicht wirklich den Leuten hier vor Ort hilft. Vielmehr muss ich hoffen, dass sie nicht wirklich schadet ... Das klingt jetzt sicher demotiviert, so empfinde ich es jedoch nicht - ich mach mir halt nur meine Gedanken ... Kurzer Erklaerungsversuch: Die Situation an den staatlichen Schulen hier in Rajasthan ist recht unbefriedigend - zum einen werden die Kinder nicht regelmaessig zur Schule geschickt, da die Eltern selbst ungebildet sind und die Notwendigkeit des Schulbesuches nicht einsehen, oder die Kinder eben im Haushalt "benoetigt" werden. Zum anderen sind fuer die in der Schule anwesenden Kinder aber gar nicht genug bzw. unmotivierte, ueberforderte Lehrer vorhanden, die auch gerne mal die Hand gegen die Schueler erheben. An einer Schule war an einem Nachmittag fuer 4 Klassen nur ein Lehrer anwesend, der dann immer zwischen den Klassen hin und her gesprungen ist. Wenn ich es richtig verstanden habe, resultiert der Lehrermangel - wie soll es auch anders sein - aus finanziellen Engpaessen der Staatlichen Schulen, die fuer die Bevoelkerung kostenlos sind. Freiwillige werden nun als das Mittel der Wahl angepriesen, mit der Begruendung, dass sie eben ein anderes Schulsystem kennen, das auch ohne Schlagen ausgekommen ist, und den Unterricht anschaulicher gestalten als die indischen Lehrer. Dass ein Freiwilliger aber immer nur 4, 8 oder maximal 12 Wochen da ist und danach ein anderer kommt, der mit den Kiddies genauso wieder bei null anfaengt und vielleicht auch eine ganz andere Lehrmethode benutzt, ist die Kehrseite. Ich hab in den nicht mal 4 Wochen gerade mal einen Einblick erhalten, was meine Schueler so koennen und mit welchen Lehrmethoden (so man das so nennen kann) man am weitesten bei ihnen kommt und gerade wenn ich mit der eigentlichen erfolgbringenden Arbeit anfangen koennte, ist meine Zeit um und ich lasse die Kinder zurueck. Zum Glueck sind sie jetzt nicht ganz allein (einen festen Lehrer gibt es naemlich fuer diese Klasse nicht), da wir zu zweit in der Klasse gearbeitet haben und meine Mitstreiterin noch weitere 4 Wochen bleibt. Sie wird dann hoffentlich neue Freiwillige einarbeiten, so ein nahtloser Uebergang ist aber selten gewaehrleistet, so dass man sich auf niedergeschriebene Aktivitaetsreporte ehemaliger Freiwilliger beschraenken muss. Ingsgesamt hab ich mich schon oefter gefragt, ob das viele Geld, das wir hier fuer unsere Teilnahme bezahlen (und von dem sicher ein ganzer Teil irgendwo in irgendwelchen Verwaltungsapparaten haengenbleibt), nicht besser in die Ausbildung oder Bezahlung indischer Lehrkraefte investiert werden sollte - damit waere dem System im Sinne der "Hilfe zur Selbsthilfe" wahrscheinlich mehr gedient. Ich hab schon gesagt, dass ich das Ganze definitiv nicht so demotivierend oder pessimistisch finde, wie es jetzt vielleicht klingen mag. Fuer all die Freiwilligen, die hier arbeiten, bietet das Projekt natuerlich die einmalige Chance, ein unbekanntes Land relativ organisiert zu entdecken und nebenher noch das Gefuehl zu erhalten, etwas sinnvolles zu tun.

Ueber Rajasthan und das Leben im Camp
Wie ich schon geschrieben habe, lebten wir waehrend unserer Arbeit in Lalsot in einem sehr einfachen Camp mit Lehmhuetten, Wassereimern statt Duschen, tagtaeglichen Stromausfaellen, Ratten (die ich leider nie gesehen habe) und anderen Widrigkeiten, die euch zu Hause wahrscheinlich die Haende ueber dem Kopf zusammenschlagen lassen. Mein erster Eindruck, als wir zum ersten Mal nachts auf der Buckelpiste das Camp erreichten, war auch wirklich "Was und hier soll ich 4 Wochen ueberleben? Das geht ja gar nicht!" Doch dann hat es sich wirklich zu einem unvergesslichen Erlebnis entwickelt, dank sehr netter Mitteilnehmer, dem obligatorischen Volleyballspielen am Nachmittag, Spass an der Arbeit mit den kleinen Rackern in der Schule und so vielen Kleinigkeiten mehr. Wir sind als Gruppe schon sehr zusammengewachsen, da man unter der Woche auch nur sehr wenig ausserhalb des Camps unternehmen konnte, so dass mir der Abschied von meinem Camp am vergangenen Donnerstag schon echt schwer fiel - doch dazu spaeter mehr.
Im Allgemeinen leben die Menschen in dem Bundesstaat Rajasthan sehr aermlich und einfach. Den Lebensunterhalt verdienen die meisten durch Landwirtschaft. Es gibt einen hohen Anteil von Analphabeten, die weder des Hindi-Schreibens geschweige denn des Englischen maechtig sind. Viele von den Menschen hier kommen ihr Leben lang nicht raus aus ihrem Dorf, vielleicht besuchen sie mal den Nachbarort. Da ist es natuerlich nicht verwunderlich, dass die Ankunft von weissen Europaern fuer viele hier das Highlight ihres Lebens ist. Dementsprechend hat dann auch so ziemlich jeder Dorfbewohner versucht, mit uns in Kontakt zu treten: Vom verstohlen Einfach-Nur-Anstarren-und-auf-eine-Reaktion-von-uns-Warten, ueber ein freundliches "Namaste" oder "What ist your name?" (das ist wahrscheinlich der am meisten gesprochene englische Satz hier im Norden) bis hin zum man kann schon sagen Grabschen nach Armbaendern und sonstigen wertvoll aussehenden Sachen. Ich weiss noch, wie wir an einem Sonntag eine kleine Radtour in den Nebenort unternommen haben, nach kurzer Zeit aber entnervt umgekehrt sind, da uns etliche Kinder schreiend hinterher gerannt sind und auch Versuche unternommen haben, auf unserem Gepaecktraeger eine Mitfahrgelegenehit zuerhaschen. Was sicher alles sehr freundlich gemeint ist, kann einen als Besucher manchmal schon richtig nerven, Man hat das Gefuehl, die Inder (ich weiss natuerlich, dass man das nicht verallgemeinern kann) kennen nicht wirklich eine Privatsphaere: Egal wo man steht, immer bildet sich gleich eine Menschentraube um einen, moeglichst dicht gedraengt, damit sie auch hoeren, was der Europaeer zu sagen hat (selbst wenn man es nicht bersteht). Besonders unangenehm ist das beim Geldautomaten - Diskretionsabstand kennt man hier nicht (allerdings nicht nur uns, sondern auch den eigenen Landsleuten gegenueber). Auch wenn ich von bestimmten kulturellen Verhaltensweisen des oefteren mal genervt war, so muss ich doch sagen, dass ich Rajasthan sehr in mein Herz geschlossen habe. Es laesst sich gar nicht so genau sagen, was mich so an diesem Landstrich fasziniert hat,  aber dieses "Ich liebe es"-Gefuehl war einfach da und viel zu schnell verging die Zeit, die ich hier verleben durfte ...

Unser Leben neben der Arbeit - Ausfluege am Wochenende
Wir muessen hier natuerlich nicht nur "schuften", sondern unternehmen auch eine ganze Menge, um das Land etwas naeher kennenzulernen. An dieser Stelle werde ich nochmal etwas ausfuehrlicher ueber die Ausfluege der ersten 5 Wochen berichten - wenn ich die Zeit dazu finde ... Also immer mal wieder in den Bericht reinschauen!

Bereits in unserer ersten Woche standen ja einige Exkursionen auf dem Programm. So unternahmen wir eine Tigersafari im Ranthambore Nationalpark und hatten das wohl sehr seltene Glueck, auch wirklich einen Tiger zu sehen. Der lag zwar nur faul im Gebuesch rum, aber das war mir tausendmal lieber als wenn er zu nah an unseren Oben-Ohne-Bus gekommen und vielleicht noch zum Sprung angesetzt haette ;-) Interessant fand ich es, wie hier mit sogenanten Nationalparks umgegangen wird: Da liegen Zigarettenstummel herum, die Safaribusse fahren bei Gegenverkehr rigeros ueber Buesche und Straeuche hinweg, da die Fahrbahn zu schmal fuer zwei Fahrzeuge ist. Ist halt Indien ...
Waehrend unserer Orientierungstage in Jaipur hatten wir beim Besuch des Old Markets die Chance das Feilschen zu erlernen. Ein Beispiel dazu: Ich wollte mir zwei Oberteile kaufen. Eins sollte 850 Rupien kosten, ich meinte ich zahl 500 fuer beide zusammen. Der Verkaeufer macht ein betroffenes Gesicht, meint theatralisch "Willst du mich ruinieren?", ich sage "Dann eben nicht" und verlasse das Geschaeft, er ruft mich zurueck, hin und her und ich bekomme beide Teile fuer 600 Rupien, was nicht mal 10 Euro sind. Und damit hat er wahrscheinlich immer noch ein gutes Geschaeft gemacht... Wirklich absolut lustig! Des weiteren haben wir uns in Jaipur im Kino einen Bollywood-Film angeschaut. Klingt ja erst mal nicht so spektakulaer, aber schon die Eingangshalle des Kinos war ein echter Hingucker mit Stuck und allem moeglichen Schnickschnack. Des weiteren war es dann total interessant und lustig zu sehen, wie sich das indische Kinopuplikum so verhaelt: Die rasten einfach total aus, wenn es im Film nur den kleinsten Hauch von Zaertlichkeiten zwischen den Geschlechtern gibt. Da wird geklatscht, gepfiffen, gejohlt, was wohl eindeutig als Zeichen der Verklemmtheit der Inder zu sehen ist. Anders als uns der schnulzige Bollywood-Film naemlich vorgaukelt, finden im "normalen" Leben Haendchenhalten und Kuessen nicht in der Oeffentlichkeit statt - das Thema Sexualitaet wird voellig tabuisiert. Tabu war auch mal der Elefantenritt zum Amber Fort in Jaipur. Zu unserem Glueck (wenn auch zum Unglueck der Elefanten), kann man sich nun aber wieder von einem Dickhaeuter hinauf zu dem Fort bringen lassen, das aussieht als waere es dem Maerchen "Tausendundeiner Nacht" entsprungen. Ist schon eine ganz schoen wackelige Angelegenheit, wenn man zu zweit in einer Art Korb auf so 'nem grossen Tier hockt, aber nach anfaenglicher Nervositaet habe ich es genossen - und der Elefant ist auch unbeschadet aus der ganzen Angelegenheit rausgekommen ;-) Waehrend unserer Orientierungstage haben wir uebrigens bei einer indischen Gastfamilie gewohnt, die uns sehr nett aufgenommen und mit koestlichem Essen versorgt haben.
Im Anschluss an die Orientierungswoche in Jaipur besichtigten wir die Touristenattraktion Indiens - das Taj Mahal. Wirklich imposant, gerade wenn man bedenkt, dass es allein als Grabmal fuer eine einzige Frau errichtet wurde ... Wir besichtigten das Monument in den fruehen Morgenstunden, so dass wir auch halbwegs vom grossen Touristenansturm verschont blieben.
Sicherlich ein Highlight der Zeit in Rajasthan war der Besuch der Stadt Pushkar inklusive Kamelsafari. Pushkar, das mit einem seltenen Brahma-Tempel und seinem Heiligen See eine der beliebtesten Pilgerstaetten Indiens ist, war mir persoenlich zwar zu touristisch, aber die Kamelsafari war echt der Hammer - auch wenn ich am Anfang dachte, dass ich keine 10 Minuten auf dem Kamel ueberleben werde ...

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